Abrechnungsbetrug durch Laborärzte
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte mit Beschluss vom 12.07.2017 (Az. 1 StR 535/16) über die Frage zu entscheiden, ob die Abrechnung der Laborleistungen von in „Außenlaboren“ tätigen Laborärzten, die nicht in „freier Praxis“ tätig gewesen sind, sondern in einen Abhängigkeitsverhältnis standen, als Abrechnungsbetrug nach § 263 Absatz 1 StGB zu werten.
Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Tatzeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem 31.12.2007 waren die Angeklagten alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Nebenbeteiligten.
Die Nebenbeteiligten betrieben ein Dienstleitungsunternehmen zur Beratung von Laborrationalisierung und -computerisierung sowie Systementwicklung im EDV-Bereich. Darüber hinaus haben im Tatzeitraum zwischen den Nebenbeteiligten und Laborärzten mit insgesamt fünf „Außenlaboren“ Dienstleistungsvereinbarungen bestanden.
Die in den Außenlaboren tätigen Laborärzte hätten – gemäß dem gemeinsamen Tatplan mit den Angeklagten – gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Laborleistungen abgerechnet. In der Abrechnung haben die Laborärzte gemeinsam mit den Angeklagten ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht, zur Abrechnung der vorgenommenen Laborleistungen berechtigt zu sein. Dafür sei sozialversicherungsrechtlich die Leistungserbringung in „freier Praxis“ erforderlich gewesen. Tatsächlich hätten die Laborärzte in den Außenlaboren aufgrund der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung der Verträge in einem Abhängigkeitsverhältnis gestanden und seien unselbstständige Arbeitnehmer gewesen.
Das Landgericht hatte die Angeklagten bereits aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich nicht von einer Täuschungshandlung seitens der Laborärzte und eines bei der Kassenärztlichen Vereinigung hervorgerufenen Irrtums hatte überzeugen können.
Der BGH bestätigte die Entscheidung des Landgerichts nach der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision. Zur Begründung führte der BGH aus, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts weder lückenhaft noch widersprüchlich sei. Auch fehle es nicht an einer gebotenen Gesamtwürdigung. Rechtsfehlerfrei habe das Landgericht festgestellt, dass von einer tatbestandsmäßigen Täuschung in dem verfahrensgegenständlichen Zusammenhang allenfalls dann ausgegangen werden könne, wenn die Laborärzte nach dem maßgeblichen Kassenarztrecht nicht berechtigt gewesen seien, ihre tatsächlich erbrachten Leistungen abzurechnen.
Nach der im Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen. Dies schließe die Tätigkeit in „freier Praxis“ mit ein. Daher habe sich das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und den entwickelten Grundsätzen zur „freien Praxis“ orientiert. Tätigkeit in „freier Praxis“ beinhalte nach der Rechtsprechung des BSG danach eine wirtschaftliche Komponente und die ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht.
Dies habe der Tatrichter in nicht zu beanstandender Wiese anhand der Vertragslage zwischen den Nebenbeteiligten und den Laborärzten sowie anhand der tatsächlichen Handhabung beurteilt.
Ansprechpartner:
Christian Herbst, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht