1. August 2017 · Medizinrecht

Abschreibung für das Wirtschaftsgut vertragsärztliche Zulassung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte mit Urteil vom 21.02.2017 (Az.: VIII R 7/14 R) über die Revision der Gesellschafter einer ehemaligen radiologischen Gemeinschaftspraxis (GP) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu entscheiden.  Streitgenständlich war die Abschreibungsfähigkeit der Aufwendungen für die vertragsärztliche Zulassung.

Der Gesellschafter S betrieb neben der GP noch eine radiologische Einzelpraxis. S beabsichtigte, die Einzelpraxis aufzugeben und noch in einem Teilbereich privatärztlich tätig zu bleiben und seine vertragsärztliche Tätigkeit zu beenden. Weil der Planungsbereich für Radiologen aufgrund der Überversorgung gesperrtes Gebiet ist, hätte ein unbedingter Verzicht des S zum Erlöschen der Zulassung geführt. Die Zulassung konnte aber im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V übertragen werden.

Die GP und S schlossen daher einen Praxiskaufvertrag. Die GP verpflichtete sich in diesem Vertrag mit erfolgreicher Überleitung der Vertragsarztzulassung auf einen Gesellschafter, der GP den vereinbarten Übernahmepreis zu bezahlen. Zum Gegenstand der Übertragung ist im Praxiskaufvertrag geregelt, dass der Praxisstandort von S weiter fortgeführt werde, die Geräte, die S nicht mehr für seine privatärztliche Tätigkeit benötigt, solle die GP übernehmen, wobei sich die Parteien einig waren, dass die medizinischen Geräte bis zum Stichtag wirtschaftlich verbraucht seien und die GP ggf. die Entsorgungskosten für die Geräte zu tragen habe. Die GP sollte auch die Patientenkartei übernehmen. Laufende Praxisverträge sollten bei S verbleiben. Das Personal des S sollte die GP teilweise übernehmen.

M, die bei S für drei Monate als „Schnupperassistentin“ angestellt war, erhielt dann im Nachbesetzungsverfahren die Zulassung des S. Die Tätigkeit wurde dann von M in einer Filiale der GP fortgeführt. Die GP übernahm vier Mitarbeiter des S und die Patientenkartei. Die medizinischen Geräte und das Praxisinventar wurden von der GP nicht zur weiteren Nutzung übernommen.

Die GP ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Absatz 3 Einkommensteuergesetz.

In den Streitjahren setzte die GP den Kaufpreis für eine 3-jährige Nutzungsdauer als Betriebsausgaben auf Ebene des Gesamthandvermögens gewinnmindernd ab.

Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der an S gezahlte Kaufpreis nur für den Erhalt der Zulassung erfolgt sei. Das Finanzamt erließ daraufhin entsprechende geänderte gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide. Einspruchs- und anschließendes Klageverfahren blieben erfolglos.

Hiergegen wandte sich die GP mit ihrer Revision.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hob die Vorentscheidung des Finanzgerichts Nürnberg auf.

Zur Begründung führte der BFH aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung der BFH zwischen dem Erwerb einer Praxis als Sachgesamtheit und dem Erwerb nur des immateriellen Wirtschaftsguts des mit „einer Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils“ zu unterscheiden sei.

Erwerbe der Käufer eine Vertragsarztpraxis als einheitliches Chancenpaket, lassen sich die Anschaffungskosten – soweit sie nicht auf die materiellen Wirtschaftsgüter zu verteilen seien – nicht in solche für das immaterielle Wirtschaftsgut „Praxiswert“ und das immaterielle Wirtschaftsgut „Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“ aufteilen.

Das mit der Vertragsarztpraxis erworbene Chancenpaket setze sich aus den verschiedenen wertbildenden Faktoren zusammen (Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe etc.) und wird neben den einzeln zu bewertenden materiellen Wirtschaftsgütern hauptsächlich durch das immaterielle Wirtschaftsgut „Praxiswert“  repräsentiert. In dem erworbenen immateriellen Wirtschaftsgut „Praxiswert“ seien somit insbesondere der „Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“ und der Patientenstamm  enthalten.

Der Erwerb der Praxis als „Sachgesamtheit“ sei abzugrenzen vom Sonderfall, indem ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V durchgeführt werde, ohne dass die Praxis des Abgebers übernommen werde. Es werde in diesem Fall nur der Vorteil aus dem Innehaben der Vertragsarztzulassung (nicht die Praxis) zum Gegenstand des Veräußerungs- und Erwerbsgeschäfts und hierdurch zu einem selbständigen Wirtschaftsgut konkretisiert.

Ob Gegenstand der Übertragung die Vertragsarztpraxis als Chancenpaket oder nur der wirtschaftliche Vorteil aus der Vertragsarztzulassung sei, ist ausgehen von der vertraglichen Vereinbarung und deren tatsächlicher Umsetzung anhand einer Gesamtwürdigung zu beurteilen.

 

Ihr Ansprechpartner:

Christian Herbst, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht