Außerordentliche Kündigung eines gewalttätigen Bewohners nach WBVG auch bei Schuldunfähigkeit
Mit rechtskräftigem Urteil vom 17.07.2024 hat das Oberlandesgericht München entschieden, dass bei Schuldunfähigkeit eines gewalttätigen Bewohners zwar eine Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung nach § 12 Abs. 1 S.3 Nr. 3 WBVG ausscheidet, dass eine außerordentliche Kündigung aber gemäß § 12 Abs. 1 S.1 WBVG auf andere Gründe von gleichem Gewicht gestützt werden kann, was kein Verschulden voraussetzt. Das Urteil hat hierzu Bezug auf die von uns in den Prozess eingeführten Gesetzesmaterialien genommen.
Das Oberlandesgericht München verlangt auch im Rahmen des Kündigungsgrunds des § 12 Abs. 1 S.1 WBVG die Prüfung der Zumutbarkeit der Vertragsfortführung, wobei eine Abwägung zwischen dem Interesse des Bewohners, eine dauerhafte räumliche Veränderung und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden, und dem Interesse der Einrichtung an der Loslösung vom Vertrag vorzunehmen ist.
Bei der Abwägung misst das Oberlandesgericht auf Seiten der Einrichtung ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern sowie Mitarbeitenden besondere Bedeutung bei, insbesondere, wenn eine Gefahr für deren körperliche Integrität besteht.
Zur Vertragsanpassung gemäß § 8 Abs. 1 WBVG stellt das Oberlandesgericht fest, dass der Bewohner aus § 8 Abs. 1 WBVG keinen Anspruch auf eine grundlegende Veränderung des therapeutischen Konzepts der Einrichtung für die Betreuung eines einzelnen Bewohners hat und unter Bedarf gemäß § 8 Abs. 1 WBVG alle aufgrund von Alters- oder Pflegebedürftigkeit erforderlichen Pflege- und Betreuungsleistungen zu fassen sind (z. B. in den Bereichen der hauswirtschaftlichen Versorgung, der Hygienemaßnahmen, des Beratungsbedarfs und der Anleitung zur Tagesstruktur), nicht aber der ausschließlich auf Krankheit beruhende Hilfebedarf.
– Oberlandesgericht München, Az. 20 U 3924/23 e –
Rechtsanwalt Dr. Luckow