19. Juli 2018 · Medizinrecht

Freiberufler MVZ in der Rechtsform einer GmbH

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 29.11.2017 (Az. B 6 KR 31/16 R) über die Anforderungen an eine freiberufliche Tätigekeit der Ärtze in einem  Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) entschieden, dass in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beteiligten streiten über die Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums, in dem vertrags- und vertragszahnärztliche Leistungen erbracht werden sollen.

Gesellschafter der klagenden GmbH sind zwei Brüder, die je zur Hälfte am Stammkapital der Klägerin beteiligt sind. Ein Bruder ist Facharzt für Allgemeinmedizin (B), der andere Bruder ist zugelassener Hilfsmittelerbringer (G) und alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Die Mutter ist als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Gesellschaftszweck ist unter anderem der Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren zur Erbringung vertragsärztlicher und vertragszahnärztlicher Leistungen.

Im September 2011 stellten G und B Anträge beim zuständigen Zulassungsausschuss Ärzte und Zahnärzte auf Zulassung eines MVZ. Die kooperative Leitung sollte für den ärztlichen Bereich durch den Allgemeinmediziner und im zahnärztlichen Bereich durch die Zahnärztin erfolgen. Neben dem Gesellschaftsvertrag wurden (Dienst-)verträge über die Mitarbeit im Medizinischen Versorgungszentrum vorgelegt, in denen sich der Allgemeinmediziner und die Vertragszahnärztin dazu verpflichten, als Vertragsarzt bzw. als Vertragszahnarzt im Medizinischen Versorgungszentrum tätig zu sein. Sie sollten keinem Weisungs- und Direktionsrecht unterliegen. Ihre Dienstleistungen sollten zwischen zu 08:30 Uhr und 18:00 Uhr erbracht werden. Das Jahresgehalt betrug € 24.000,00 zzgl eines variablen Honorars in Höhe von 10 % der Bruttoeinnahmen des MVZ aus den persönlich erzielten Einnahmen des Vertragsarztes bzw. Vertragszahnarztes. Nach den Regelungen des (Dienst-)Vertrages bestand kein Anspruch auf Honorar bei Krankheit oder Arbeitsverhinderung.

Der Zulassungsausschuss Ärzte lehnte die Zulassung des MVZ zur vertragsärztlichen Versorgung ab. Hiergegen wandte sich die Klage der GmbH.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass in Anbetracht des Umstandes, dass auch bei der Tätigkeit eines Vertragsarztes im MVZ das zugelassene MVZ selbst und nicht der Vertragsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung  als Rechtssubjekt entgegentrete, könne in diesen Fällen nicht das Maß an Selbständigkeit gefordert werden, wie bei einer Tätigkeit aufgrund persönlicher Zulassung. Es bedarf aber der Abgrenzung der Tätigkeit eines Vertragsarztes im MVZ und eines Angestellten im MVZ. Eine vertragsärztliche Tätigkeit scheide nach Auffassung des Gerichts jedenfalls aus, wenn der Arzt tatsächlich im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses Leistungen erbringen soll. Um innerhalb der Gesellschaft ein Mindestmaß an Selbstständigkeit der Vertragsärzte zu gewährleisten, sind besondere Anforderungen an die innere Struktur der Gesellschaft zu stellen. Anhaltspunkte ergeben sich aus § 23 a der Musterberufsordnung (MBO), die Regelungen für die ärztliche Tätigkeit in der Form der juristischen Person des Privatrechts enthält. Dort sei festgelegt, dass Gesellschafter nur Ärzte oder Angehörige bestimmter Berufe sein können und dass die Gesellschafter in der Gesellschaft tätig sein müssen. Es müsse zudem gewährleistet sein, dass die Gesellschaft verantwortliche von einem Arzt geführt werde. Geschäftsführer müssten mehrheitlich Ärzte sein. Außerdem müssten die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte Ärzten zustehen und es müsse eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung bestehen. Ein Arzt, der weder über die Mitwirkung an der Geschäftsführung noch in der Rolle eines Gesellschafters Einfluss auf den Betrieb der Praxis nehmen könne, wird nicht als freiberuflicher Vertragsarzt im MVZ tätig, sondern tatsächlich als Angestellter.

Im Fall sah das Gericht keine ausreichenden Indizien für eine selbständige Tätigkeit. Zwar fänden sich einige Indizien, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen. So können nur zugelassene Leistungserbringer Gesellschafter sein. Der ärztliche Leiter und die kooperative Leitung sollen frei von Weisungen der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlung tätig sein. Zum alleinigen Geschäftsführer sei  allerdings Herr G bestimmt worden, der Hilfsmittelerbringer ist. Die Zahnärztin sei nicht Gesellschafterin der GmbH. Der Allgemeinmediziner hielte zwar die Hälfte des Stammkapitals, sei aber an der Geschäftsführung nicht beteiligt. Die Tätigkeit des Allgemeinmediziners und der Zahnärztin sei im Ergebnis als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzuordnen.

 

Fazit: Seit der Änderung des § 95 Absatz 1 Satz 2 SGB V und der Streichung des „Tatbestandsmerkmals“ fachübergreifend, ist die Anzahl der MVZ deutlich angestiegen, zumal nun auch fachgleiche MVZ, z.B. ausschließlich von Zahnärzten gegründet und betrieben werden können. Das MVZ kann in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft, einer GmbH oder in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform betrieben werden. Soll das MVZ in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden, sind aber nicht nur die o.g. rechtlichen Punkte sondern vor allem auch steuerliche Fragen zu beachten, sodass eine umfassende rechtliche und steuerliche Beratung vor der Gründung unerlässlich ist.

 

Ansprechpartner:

Christian Herbst, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht