Neues zur „Einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht“
1. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10.02.2022 (Az. 1 BvR 2649/21) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die Beschwerdeführenden begehrten, den Vollzug von § 20 a und § 73 Abs. 1 a Nr. 7 e) bis 7 h) Infektionsschutzgesetz (IfSG) („einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“) vorläufig auszusetzen.
Damit ist das Infektionsschutzgesetz nach wie vor in vollem Umfang gültig.
2. Dass der Freistaat Bayern beabsichtigt, den Vollzug dieses Gesetzes auszusetzen bzw. zeitlich hinauszuschieben, ändert nichts an den Verpflichtungen, die das IfSG als Bundesgesetz gegenüber den Einrichtungen festlegt.
3. Gemäß § 20 a Abs. 2 S.2 IfSG hat die jeweilige Einrichtungsleitung, wenn ein Mitarbeitender bis zum Ablauf des 15.03.2022 weder einen Impfnachweis, noch einen Genesenennachweis, noch ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation vorlegt oder Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt die personenbezogenen Daten zu übermitteln.
Nimmt die Einrichtungsleitung diese Benachrichtigung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vor, handelt sie gemäß § 73 Abs. 1 a Nr. 7 e) IfSG ordnungswidrig.
Im Hinblick auf diese Rechtslage ist dringend anzuraten, dass die Einrichtungen ihrer Benachrichtigungspflicht gegenüber dem zuständigen Gesundheitsamt fristgerecht, d. h. unmittelbar nach Ablauf des 15.03.2022, nachkommen, um einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit zu entgehen.
Ob und wie das Gesundheitsamt mit der Benachrichtigung der Einrichtung weiter umgeht, liegt dann außerhalb der Sphäre der Einrichtung und somit nicht mehr im Verantwortungsbereich der Einrichtung.
4. Gemäß § 20 a Abs. 3 S.4 IfSG darf eine Person, die ab 16.03.2022 tätig werden soll und keinen der o. g. drei Nachweise vorlegt, in der Einrichtung nicht beschäftigt werden.
Sofern die Einrichtung hiergegen verstößt, wird dies gemäß § 73 Abs. 1 a Nr. 7 g) IfSG als Ordnungswidrigkeit geahndet.
5. Bei den Bestandsmitarbeitenden begeht die Einrichtung dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn die Einrichtung der vollziehbaren Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt zuwider handelt (§ 73 Abs. 1 a Nr. 7 f) IfSG).
Im Umkehrschluss dürfte daraus zu folgern sein, dass Bestandsmitarbeitende, die gemäß § 20 a Abs. 2 S.2 IfSG durch die Einrichtung dem Gesundheitsamt gemeldet worden sind, nach den Regelungen des IfSG solange weiterbeschäftigt werden dürfen, bis eine vollziehbare Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt vorliegt.
6. Die von behördlichen Stellen zum Teil vertretene Auffassung, dass
– die jeweilige Einrichtung bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit eines vorgelegten Nachweises gemäß § 20 a Abs. 2 S.2 IfSG den eigenen Betriebsarzt zur Überprüfung einsetzen müsse und
– dass Betretungsverbote von der jeweiligen Einrichtung und nicht vom Gesundheitsamt auszusprechen seien,
steht in völligem Widerspruch zur eindeutigen Gesetzeslage des § 20 a IfSG, zur Gesetzesbegründung und zu den Antworten des Bundesministeriums für Gesundheit zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten.
a) Bestandsmitarbeitende haben der Einrichtungsleitung bis zum Ablauf des 15.03.2022 einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass sie wegen medizinischer Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20 a Abs. 2 S. 1 IfSG).
Wenn keiner der genannten Nachweise fristgerecht vorgelegt wird oder Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Einrichtungsleitung unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt darüber zu benachrichtigen und ihm personenbezogene Daten zu übermitteln (§ 20 a Abs. 2 S.2 IfSG).
b) Sobald das Gesundheitsamt von der Einrichtungsleitung benachrichtigt wurde, ist der betreffende Mitarbeitende verpflichtet, dem Gesundheitsamt auf Anforderung einen der drei Nachweise vorzulegen (§ 20 a Abs. 5 S.1 IfSG).
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann (§ 20 a Abs. 5 S.2 IfSG).
Das Gesundheitsamt kann dem Mitarbeitenden, der trotz der Anforderung durch das Gesundheitsamt keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge leistet, untersagen, die Einrichtung zu betreten oder in der Einrichtung tätig zu werden (Betretungs- oder Tätigkeitsverbot) (§ 20 a Abs. 5 S.3 IfSG).
c) Gegen die vom Gesundheitsamt erlassenen Anordnungen und / oder Verbote kann der Mitarbeitende Widerspruch oder Anfechtungsklage zum zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Beide Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 20 a Abs. 5 S.4 IfSG).
d) Wer auf Anforderung des Gesundheitsamts einen Nachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt bzw. einer vollziehbaren Anordnung des Gesundheitsamts nicht Folge leistet, begeht eine Ordnungswidrigkeit ge-mäß § 73 Abs. 1 a Nrn. 7 f) bzw. 7 h) IfSG).
e) Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 20 a IfSG ist die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung und der Ausspruch eines Betretungsverbots hoheitliche Aufgabe des Gesundheitsamts, was sich auch daraus ergibt, dass gegen beide Maßnahmen Widerspruch bzw. Anfechtungsklage zu den Verwaltungsgerichten vorgesehen ist.
§ 20 a IfSG enthält daher keinerlei Ermächtigungsgrundlagen für die (privaten) Einrichtungen zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung oder eines Betretungsverbots aus Gründen der Impfprävention.
Dies wird durch die Gesetzesbegründung (Deutscher Bundestag, Drucksache 20/188, Seiten 40 bis 42) bestätigt. Ebenso durch die Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten vom 14.01.2022 / Stand 07.02.2022, Antworten 19 und 21 (Seiten 13 bis 15).
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Dr. Klaus-R. Luckow