Hemmung der Verjährung bei fehlerhafter Anlageberatung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 18.06.2015 (Az. III ZR 303/14) entschieden, dass die Verjährungshemmung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Angaben oder unzureichender Aufklärung im Rahmen der Anlageberatung oder des Anlagevermittlungsgesprächs durch die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB auch bezüglich solcher Pflichtverletzungen eintritt, die in dem Antrag nicht konkret aufgeführt sind.
Dem Urteil folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin zeichnete am 19.04.1994 und am 26.07.1995 Gesellschaftsbeteiligungen an zwei geschlossenen Immobilienfonds. Die Klägerin macht nun bezüglich beider Beteiligungen Schadensersatzansprüche wegen verschiedener Beratungsfehler geltend. Es wird unter anderem die mangelnde Aufklärung über die fehlende Werthaltigkeit der Anlagen gerügt. Eine ausreichende Plausibilitätsprüfung insbesondere in Bezug auf Umfang und Erforderlichkeit der in den Prospekten genannten weichen Kosten habe nicht stattgefunden.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das Berufungsgericht aus, dass die Forderungen gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjährt seien. Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB sei durch die am 21.12.2011 gestellten Güteanträge nicht eingetreten. Jede Pflichtverletzung sei verjährungstechnisch selbständig zu behandeln. Fehler im Zusammenhang mit der Prüfungs- und Aufklärungspflicht bezüglich der Werthaltigkeit der Anlagen seien in den Güteanträgen zunächst nicht thematisiert worden.
Der BGH hat die Sache nun an das Berufungsgericht zurückverwiesen und das Urteil insoweit aufgehoben. Nach Ansicht des Senats sei keine Verjährung der Ansprüche eingetreten, da diese durch die Güteanträge gehemmt worden sei. Zur Begründung wird zunächst ein Beschluss des XI. Zivilsenats des BGH vom 21.10.2014 (Az. XI ZB 12/12) angeführt. In diesem wurde in Bezug auf die Haftung wegen (Wertpapierverkauf-)Prospektfehlern entschieden, dass die Verjährung durch eine rechtzeitig erhobene Klage auch hinsichtlich solcher Prospektfehler gehemmt werde, die nicht bereits mit der Klage, sondern erst nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht worden sind. Für die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung sei generell der prozessuale Anspruch, also der Streitgegenstand und damit nicht der materiell-rechtliche Anspruch maßgeblich. Der Senat wendet diese Grundsätze auch im vorliegenden Fall an. Vom Streitgegenstand würden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssacherhalt – hier die gesamte der Anlageentscheidung zugrunde liegende Beratung – herleiten lassen. Dies gelte unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssacherhalts von den Parteien vorgetragen worden seien oder nicht. Der Senat betont dabei, dass verschiedene Aufklärungs- und Beratungsdefizite zwar jeweils für sich Schadensersatzansprüche begründen könnten, aber dennoch Bestandteile eines einheitlichen Lebensvorgangs blieben. Schließlich merkt der Senat an, dass sich auch aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH zum gesonderten Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen, die auf mehrere abgrenzbare Aufklärungs- und Beratungsfehler gestützt werden, nichts anderes ergebe. Der Verjährung gem. §§ 194 ff. BGB unterliege der materiell-rechtliche Anspruch, der Streitgegenstand sei aber ein prozessualer Anspruch, der mehrere materiell-rechtliche Ansprüche umfassen könne. Von den materiellen Ansprüchen seien aber keine Rückschlüsse auf den prozessualen Streitgegenstand möglich.